Viele Grüsse aus der sonnigen Karibik


Die schriftliche Begründung der Cayman Islands gegen die Auslieferung von Immobilienpleitier Peter Krüger demütigt die Berner Justiz.

Krüger_04 Cayman_1996Es liegen nicht die geringsten Beweise vor, jedenfalls nicht in zulässiger Form», kommentierte Richter George Harre Mitte August das Schweizer Auslieferungsgesuch und entliess das Betrügerpaar Barbara und Peter Krüger aus dem Gefängnis. Harre ist der oberste Richter der karibischen Cayman Islands. Die schriftliche Begründung seines Entscheids traf vergangene Woche beim Eidgenössischen Justizdepartement ein. FACTS liegt eine Kopie des Dokuments vor, das massive Kritik an den Schweizer Behörden enthält.

Auf 31 Seiten legt Richter Harre dar, was er vom Schweizer Auslieferungsgesuch hält: gar nichts. Das Gesuch sei «unvollständig», das Beweisdossier «unbrauchbar». Harre listet eine ganze Reihe von Versäumnissen und Formfehlern auf, die zur Freilassung der mutmasslichen Millionenbetrüger geführt hatten. Die Schweizer Behörden haben geschlampt. Das Schweizer Beweisdossier, sagt der karibische Richter, basiere auf blossem «Hörensagen» und sei damit nicht beweiskräftig: «Die Übersetzung eines Dokuments, das womöglich selber schon nur Hörensagen vom Hörensagen ist und nicht einmal aus der gleichen Zeit stammt wie die Ereignisse, die es behandelt, kann unmöglich den Wahrheitstest bestehen», schreibt Harre. Eine schallende Ohrfeige für die Berner Justiz und das Bundesamt für Polizeiwesen, die für die Strafuntersuchung gegen Krügers zuständig sind.

Krüger_10 Cayman_1996 Yacht VictoryKrüger_09 Cayman_1996 The Island Victorian in Cayman KaiKrüger_12 Cayman_1996 Northward PrisonDie Justizbehörde der Cayman Islands musste sich mit dem Fall auseinandersetzen, nachdem der Immobilienpleitier Peter Krüger auf der Insel Zuflucht genommen hatte. Krüger hatte sich 1993 nach seinem Konkurs mit 24 Millionen Franken auf die Insel abgesetzt – und 250 Millionen Schulden hinterlassen. Der Verdacht lautet auf ungetreue Geschäftsführung, betrügerischen Konkurs und Hehlerei. Doch das Beweismaterial vermag die Justiz der Cayman Islands nicht zu überzeugen. Im Gegenteil: Richter Harre wirft der Schweiz Täuschungsmanöver vor. «Dem Einzelrichter wurden von der Anklage Akten vorgelegt, die von Gesetzes wegen als Beweismaterial nicht zugelassen sind», schreibt Harre. Darunter Briefe und Zahlungsbelege, die viel vermuten lassen, aber nichts beweisen.

Kein Vertrauen hat Harre auch in die englische Übersetzung des Beweisdossiers. Er bemängelt, dass der Name des Übersetzers nicht genannt werde, sondern lediglich eine Firma Scott Translations. «Der Übersetzer ist kein blosses Neutrum, kein Niemand», belehrt Harre die Schweizer, «der Inhalt der deutschen Dokumente muss durch die Übersetzer persönlich und, wenn nötig, durch Experten bezeugt sein.» Laut Staatsanwältin Lisa Agard von den Cayman Islands hätte es genügt, wenn der Dolmetscher von einem Experten beglaubigt worden wäre. Agard stützt sich dabei wie Richter Harre auf das caymanesische Beweisgesetz, das weitgehend dem britischen entspricht.

Krüger_14 Cayman_1996 Staatsanwalt Heinz W MathysDoch davon scheinen die Schweizer Behörden noch nie gehört zu haben. Sie verliessen sich einzig auf den schweizerisch-britischen Auslieferungsvertrag von 1881. Dort, sagt der mitverantwortliche Berner Staatsanwalt Heinz W. Mathys, sei von einer Beglaubigung der Übersetzung keine Rede. Seiner Meinung nach hätte es gereicht, wenn jedes einzelne Blatt der Übersetzung mit Siegel und Unterschrift der Bundeskanzlei versehen worden wäre. Doch auch das wurde verpasst. Die Bundeskanzlei hatte im Auftrag des Bundesamtes für Polizeiwesen ihr Siegel nur auf die erste Seite gedrückt.

Jetzt versuchen die Schweizer Behörden, die Schlappe herunterzuspielen. «Der Oberrichter hat halt immer recht», meint Staatsanwalt Mathys lakonisch und fügt an, ein anderer Oberrichter hätte vielleicht anders entschieden. Sauer aufgestossen ist ihm, dass George Harre sein Urteil auf Fallbeispiele abstützte, die er selber nachgeschlagen hat. «Das ist höchst unüblich», sagt Mathys, «ein Richter sollte sich nur mit dem auseinandersetzen, was ihm vorgetragen wird.» Hingegen streitet er nicht ab, dass tatsächlich zuviel «Hörensagen» und zu- wenig Originaldokumente im Beweisdossier waren. «Beim nächsten Auslieferungsgesuch», so des Staatsanwalts späte Einsicht, «würden wir das besser machen.»

Ein neues Gesuch kommt jedoch kaum in Frage. Es wäre zu teuer und zu aufwendig. «Krüger laufen zu lassen ist aber auch keine Alternative», meint Staatsanwalt Mathys. Bleibt als einzige Möglichkeit, gegen Harres Entscheid zu appellieren. Doch die Frist für die Appellation läuft morgen Freitag ab, und die Erfolgschancen sind «sehr gering», wie Staatsanwältin Lisa Agard meint. «Aber das müssen die Schweizer entscheiden», sagt sie.

Doch die Schweizer brüten seit Tagen über dem Urteil und sind noch immer wie gelähmt. Nicht äussern zu den Pannen mag sich der zuständige Mann im Bundesamt für Polizeiwesen, Erwin Jenni. Auskunft gibt lediglich der EJPD-Sprecher Folco Galli: «Wir hatten Routiniers auf den Fall angesetzt», sagt er. Doch der Fall Krüger, müssen die Behörden jetzt feststellen, ist kein Routinefall.

Nun hoffen die Schweizer Behörden auf ein Hintertürchen. Das neue Auslieferungsübereinkommen zwischen der Schweiz und Grossbritannien, das auch für die Cayman Islands gilt, steht kurz vor der Unterzeichnung. Heinz W. Mathys rechnet mit «zwei bis fünf Monaten, bis es soweit ist». Mit dem Abkommen würden Beweise überflüssig. Eine beglaubigte Erklärung der Ermittlungsbehörden, dass gegen die Gesuchten etwas vorliegt, würde genügen. «Dann ginge es nur noch zwei bis drei Wochen, und die Krügers wären in der Schweiz», freut sich Mathys. Falls sie inzwischen nicht woanders untertauchen.

«Ich bin ein armer Mann»

Krüger_06 Cayman_1996Auf den Cayman Islands führt Peter Krüger ein neues Immobiliengeschäft.

Während die Schweizer Justiz darüber brütet, wie die Krügers auf die Anklagebank geholt werden könnten, entspannt sich das Betrügerpaar in seiner Millionen-Villa am Palmenstrand. Die Krüger-Residenz «The Island Victorian» liegt am noblen Cayman Kai, wo sich auch Prinz Charles mit seiner Geliebten Camilla getroffen hatte: türkisblaues Wasser, weisser Strand und Palmen.

Der 55jährige Peter Krüger ist im Berner Arbeiterquartier Bümpliz als Sohn eines Kochs aufgewachsen. Seine KV-Lehre absolvierte er beim Berner Liegenschaftenverwalter Charles von Graffenried. 1975 machte sich Krüger selbständig und baute ein Immobilienimperium mit 50 Firmen und 500 Millionen Franken Vermögen auf. Doch er verspekulierte sich und ging 1993 konkurs. Mit seiner Frau und 24 Millionen Franken tauchte er erst in Miami, dann auf den Cayman Islands unter.

Dort hat Krüger ein neues Immobiliengeschäft aufgebaut, zu dem die Firmen Axminister, Glenhuntley, Morning und Maitland gehören – alle von Krügers Anwaltsbüros Bruce Campbell & Co. und Quin & Hampson verwaltet. Auf diese Firmen lauten auch seine fünf Immobilien auf der Insel im Wert von acht Millionen Dollar. Im April überschrieb Krüger die Rechte seiner Firmen an seine Frau. Die Absicht ist klar: Krüger soll mittellos erscheinen. «Ich bin ein armer Mann», hatte er nach seiner Flucht gesagt, «ich habe nur soviel mitgenommen, wie ich zum Leben brauche.»

Facts, 29.8.1996 (PDF)


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