Schöne Grüsse aus den Cayman-Inseln


Krüger_26 Cayman_1996 Richard H Coles, James Turner, Lisa AgardIm Zweifelsfall mehr Zeit für den Richter. «Finde ich zum Thema Auslieferung wohl auch etwas im Gesetz der Cayman-Inseln?» fragte der ältere Herr. Richter Peter Jackson nimmt es sehr genau. Er hat auf der kleinen Karibik-Insel ein Leben lang der Justiz gedient. «Nein, Eure Lordschaft», belehrt ihn Krügers Anwalt Alun Jones, Auslieferungsspezialist aus London, «das Gericht muss sich in diesem Fall ausschliesslich auf internationales Recht stützen.» Neuland für den Richter, der bisher fast nur mit Drogendelikten und Raubüberfällen zu tun gehabt hat. «Bitte lassen Sie mich einen Moment überlegen», sagt er dann – verunsichert durch den aggressiven Strafverteidiger aus London.

Im Zweifelsfall auf Nummer Sicher gehen. Grossbritannien wollten den Fall Krüger nicht der lokalen «Staatsanwältin der Krone», Lisa Agard, überlassen. Die Justiz der Cayman-Inseln musste sich noch nie mit einem Auslieferungsfall von solcher Tragweite befassen. Aus London wurde daher der Spezialist James Turner entsandt. Er tritt hier stellvertretend für die Schweiz als Ankläger gegen das Ehepaar Krüger auf. Und auch er lässt dem alten Richter keinen Spielraum für Kompromisse. «Die Krone misstraut der lokalen Justiz», heisst es hier hinter vorgehaltener Hand. Die Krone befürchtet, dass das Krüger-Ehepaar mit einem blauen Auge davonkommen könnte, nur damit andere Investoren nicht abgeschreckt werden.

Krüger_15 Cayman_1996Im Zweifelsfall für das Bankgeheimnis. Die Cayman-Inseln und die Schweiz haben eines gemeinsam: ein verlässliches Bankgeheimnis. Laut Gesetz ist die Bankleitung zwar in beiden Ländern verpflichtet, bei neuen Kunden die deklarierte Herkunft des Kapitals zu verifizieren – in der Praxis ein Ding der Unmöglichkeit. «Nehmen wir einen Amerikaner, der sich als Besitzer von Ölfeldern in Texas ausgibt», erklärt der Filialleiter der Bank Julius Baer vor Ort. «Ich müsste ja nach Texas fliegen und umfangreiche Abklärungen durchführen, um herauszufinden, ob das Geld wirklich aus einem legalen Geschäft stammt – und das ist unmöglich», gibt er unumwunden zu. Für seine Bank ist dies nur ein hypothetischer Fall, denn Julius Baer ist hier nicht direkt am Kapitalmarkt tätig.

Im Zweifelsfall für das Steuerparadies. Die Cayman-Inseln leben von auswärtigen Investoren, so wie jeder Offshore-Finanzplatz. Man kennt hier weder Einkommens- noch Vermögenssteuern. Dies ist der Grund, dass hier rund 600 Banken eine Niederlassung haben, und sei es nur eine Postadresse. Für die 35 000 Einwohner, die auf der Hauptinsel Grand Cayman und den beiden «Schwesterinseln» Little Cayman und Cayman Brac leben, budgetiert der Staat jährlich 250 Millionen Franken. Die Einnahmen stammen aus Importzöllen (40 Prozent) und Lizenzgebühren für Firmen (25 Prozent). Dazu kommen die Steuern aus dem Tourismus: 10 US-Dollar für jeden Touristen, der von einem der zahlreichen Kreuzschiffe aus einen kurzen Abstecher aufs Festland macht. Und diesen Abstecher unternehmen jährlich immerhin vier Millionen Touristen. Eine weitere Einnahmequelle: Wer sich hier ein teures Hotel oder Appartement leisten kann, muss zusätzlich noch einmal 10 Prozent für den Staat draufzahlen.

Krüger_26a Cayman_1996 Anwalt Alun JonesIm Zweifelsfall für den Angeklagten. Nach diesem Grundsatz muss das Gericht entscheiden. Und Zweifel sind dem Gericht im Auslieferungsfall Peter und Barbara Krüger von deren Anwalt ja auch zur Genüge aufgetischt worden. Der Anklagevertreter hat jedoch deutlich gemacht, dass es beim Auslieferungsprozess nicht um eine Verurteilung für Peter Krügers mutmassliche Betrügereien in seinem Heimatland gehe. Denn für eine Auslieferung reiche ein dringender Tatverdacht, also Beweise, die vor einem Gericht in England (oder in der Schweiz) zu einer Verurteilung führen könnten.

Richter Peter Jackson dankt den beiden aus London angereisten Spezialisten. «Es war mir eine Ehre, dass Sie beide hier waren», sagt er bei der Verabschiedung. «Es war für mich sehr interessant – und eine sehr grosse Herausforderung.» Letzteres war in der Tat übersehbar. Peter Jackson wird sich Zeit nehmen – und sich wenn nötig noch mit internationalem Recht auseinandersetzen. Denn Jackson ist ein Mann, der es sehr genau nimmt.


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