Ogi: «Kellenberger hatte die Carte blanche»


Jakob Kellenberger am 24. Februar 2000 beim offiziellen Empfang als neuer IKRK-Präsident im Bundeshaus, mit Bundespräsident Adolf Ogi.

Adolf Ogi empfängt als Bundespräsident am 24. Februar 2000 offiziell Jakob Kellenberger als neuen IKRK-Präsidenten. (Bild: Keystone)

«Man hat ihn unterschätzt, den Appenzeller, wegen seiner Erscheinung. Er kam nicht wie ein perfekt gekleideter Diplomat daher», sagt Adolf Ogi. «Aber oha! Er war derart geschickt, dass er alle Verhandlungen zu einem guten Abschluss brachte. Es ist immer gut, wenn man unterschätzt wird, dann hat man eine grosse Chance, ans Ziel zu kommen.»

In meinem Buch (Jakob Kellenberger – Zwischen Macht und Ohnmacht, NZZ Libro) tritt der alt Bundesrat als Zeitzeuge auf. Die Wege der beiden haben sich erstmals 1988 gekreuzt. Damals war Ogi neu als Verkehrsminister in der Landesregierung. Kellenberger verhandelte mit der EU den Transitvertrag zum alpenquerenden Güterverkehr. «Ich habe gesehen, wie er verhandelt hat, wie er geschickt gute Argumente in den Vordergrund gerückt und persönliche Kontakte geknüpft hat, wie er überzeugen und gute Resultate erzielen konnte.»

«Er war verschmitzt, man sah den Schalk in seinen Augen. Aber er war zutiefst seriös und dadurch eben glaubwürdig.»

Kellenberger stand am Anfang seiner Karriere als Spitzendiplomat. Als Leiter des Integrationsbüros war er das Bindeglied zwischen dem Volkswirtschafts- und dem Aussendepartement, also zwischen den Bundesräten Jean-Pascal Delamuraz (FDP) und René Felber (SP).

Der Bundesrat verkündet am 20. Mai 1992 den Beschluss, in Brüssel ein EU-Beitrittsgesuch einzureichen. Jakob Kellenberger (links) war die treibende Kraft hinter den Bundesräten Jean-Pascal Delamuraz (Mitte) und René Felber (rechts). (Bild: Keystone)

Ein Trio, das Ogi bis heute beeindruckt: «Der eine freisinnig, der andere sozialdemokratisch, aber beides Welsche, und die haben sich gut verstanden. Das hat die Arbeit von Köbi, wie man ihn nannte, erleichtert. Der Waadtländer und der Neuenburger haben mit dem Appenzeller gut zusammengearbeitet.»

«Der Appenzeller hat den anderen oft die Kastanien aus dem Feuer geholt.»

Ogi erinnert sich noch gut an die Stimmung von damals: «Wenn Kellenberger mit Delamuraz zusammen war, ging es immer sehr lustig zu und her. Es ist ja bekannt, dass Delamuraz gerne ein Gläschen Weisswein getrunken hat, und mit seiner lockeren Art gewann er natürlich auch sofort die Sympathien seiner Ministerkollegen aus aller Welt. Delamuraz brauchte einen Handwerker, der die Knochenarbeit leistete, und das war Kellenberger.»

«Delamuraz hatte blindes Vertrauen in ‹seinen Köbi›. Das war ein gutes Zusammenspiel – der seriöse Appenzeller und der lebensfrohe Waadtländer.»

Ogi lässt keinen Zweifel, dass der Bundesrat und insbesondere Kellenbergers zwei Vorgesetzte, Delamuraz und Felber, stark auf den Diplomaten gehört haben. «Er hat für die beiden verhandelt und genoss deren Vertrauen, er hatte von beiden die Carte blanche.»

Zur späteren Wahl Kellenbergers zum Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sagt Ogi kurz und bündig: «Die Schweiz hatte für das IKRK keinen besseren Mann.»

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